Szenario 3 | Bauträger vs. Rohbauunternehmen
Einblick Bauvorhaben
Ein Rohbauunternehmer hat für einen Bauträger Leistungen für ein Mehrfamilienhaus durchgeführt.
Was ist das Problem?
Der Bauträger rügt zahlreiche Mängel des Werkes, die vom Rohbauunternehmer bestritten werden. Auch die Einholung von zwei Sachverständigengutachten über Bauzustand und Mängel führen zu keiner einvernehmlichen Lösung. Wegen der Verweigerung der Mängelbeseitigung hat der Bauträger schließlich den Bauvertrag gekündigt. Wegen der hohen Eskalationsstufe des Streites konnten sich die Parteien auch nach der Kündigung nicht auf eine einvernehmliche Vorgehensweise und Lösung einigen. Der Unternehmer reicht eine Klage auf Restzahlung, zusätzliche Vergütung wegen Zusatzleistungen und entgangenem Gewinn in Höhe von rund 150.000 Euro ein. Während des Prozesses hat der Unternehmer eine Forderung in Höhe von 40.000 Euro an seinen Materiallieferanten abgetreten. Der Bauträger verweigert konsequenterweise jedwede Zahlung und rechnet mit den Kosten der Ersatzvornahme (Fertigstellung des Baus und Beseitigung der wesentlichen Mängel durch Dritte) auf.
Wie verläuft die Mediation?
Bei der Mediation sind anwesend der Rohbauunternehmer, der Bauträger und deren jeweilige Rechtsanwälte, nicht anwesend sind Sachverständige und der Materiallieferant (Abtreten der Forderung). Die Eskalationsstufe ist sehr hoch, da dem Rohbauunternehmer die Zahlungsunfähigkeit droht und er um seine Existenz bangen muss. Der Bauträger kann aufgrund der bestehenden Mängel die weiteren Gewerke nicht beauftragen und fürchtet den beabsichtigen Termin zum Einzug nicht einhalten zu können. Damit wären auch KWF-Zuschüsse bedroht, die mit einer fristgerechten Fertigstellung einhergehen. Im Weiteren droht der Rohbauunternehmer, mit dem Fall an die lokale Presse zu gehen.
Die Situation ist sehr verfahren und das gegenseitige Vertrauen tendiert gegen Null. Mit beiden Parteien werden Einzelgespräche geführt. Bei diesen Gesprächen wird geklärt, was die Folgen einer gescheiterten Mediation wären: lange Gerichtsprozesse mit unklarem Ausgang, viel unproduktive Zeitverschwendung für Gerichtsvorbereitungen und Schadensgutachten, unmotivierte Mitarbeiter, Vertrauensverlust bei Bekanntmachung in der Öffentlichkeit, hoher Geldverlust (Kosten für Gerichts-, Anwalts- und Sachverständigengutachten). Die Kosten könnten unter Umständen sogar die Forderungen überschreiten.
Was ist der Mediationsansatz?
Interessen klären
Interesse Bauträger: schnelle Beseitigung der Mängel, Thema „Geld“ – im Einzelnen Mehraufwendungen wegen Eigenleistungen und Ersatzvornahme, mögliche Schadenersatzforderungen der Bauherren
Interesse Rohbauunternehmen: Thema „Geld“ – im Einzelnen Restvergütung, entgangener Gewinn, zusätzliche Vergütung und Zinsen
Bedürfnisse benennen
Bedürfnis Bauträger: Sicherheit, Angst vor einem Renommee-Verlust
Bedürfnis Rohbauunternehmen: Existenzangst, Anerkennung als seriöser und zuverlässiger Unternehmer, Angst vor einem Renommee-Verlust
Wie sieht die Mediationsvereinbarung aus?
Nachdem beiden Parteien klar wird, wohin ein Scheitern der Mediation führt, und die Rechtsanwälte nach anfänglicher Missbilligung der Mediation eine Chance einräumen, laufen die weiteren Mediationsgespräche sehr zügig weiter.
Die Parteien erarbeiten Lösungsoptionen und treffen folgende Vereinbarungen:
- Der Materiallieferant wird sofort vom Bauträger bezahlt. Die Mängel werden in Priolisten zusammengefasst.
- Mängel mit Priorität 1 werden vom Rohbauunternehmer zu einem gesetzten Termin beseitigt, sodass die weiteren Gewerke beauftragt werden können.
- Mängel der Priorität 2 (nicht sichtbare Mängel) werden mit einer Garantie von 3 Jahren über die gesetzliche Garantie hinaus versehen und im Schadensfall sofort behoben.
- Mängel der Priorität 3 werden als unerheblich eingestuft und fallen aus der Forderungsliste raus.
- Die weiteren Zahlungen leistet der Bauträger sukzessive mit Fertigstellung der Prioliste 1.
- Es werden keine rufschädigenden Informationen nach außen gegeben.